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Entfaltung ist das neue Wachstum?!

Neugierig entdecken, mutig entfalten.

Wir wollen wachsen – am besten gleich über uns hinaus. Größere Städte, Autos, Konto­stände. Wir wollen schneller, weiter, mehr. Wir wollen bessere Lösungen, effek­tiver, innovativer, kreativer. Und das wollen wir alles jetzt, so schnell wie möglich. Vielleicht auch direkt vor die Haustür geliefert? Wachs­tum stellte lange die grund­legende Maxime unseres gesellschaft­lichen An­spruches dar. Was der Kapi­talismus in der Wirt­schaft so gut zu schaffen schien, über­trugen wir also auch auf andere Teile unseres Lebens. Das Wachs­tum kennt dabei eine Richtung: nach vorn. Es sucht den kürzesten Weg, keine Um­wege, keine Pausen. Dabei kennt es die Richtung und ein Ziel, das keines ist: immer weiter. So ist Wachs­tum doch nie genug, oder? Viel hilft viel?

Lange haben wir nur nach vorn geschaut. Gefangen in Rationalisierungs­prozessen und Berechnungen des kürzesten Weges, hörten wir der monotonen Stimme des Navigations­gerätes zu, welches uns sofort auf die Auto­bahn schickte – der kürzeste Weg. Was mögen wir wohl alles rechts und links liegen gelassen haben?

Wachstum hat Grenzen. Das lernen wir – schmerzhaft. So opfern wir Lebensräume, Vielfalt, Einzig­artigkeit. Wir opfern tagtäglich etwas in uns, von uns. Wir brennen aus, weil wir einem Ziel hinter­her­laufen, welches keines ist. Einer Fata Morgana. Dabei halten wir uns an eine Route, die uns als die schnellste, beste, effektivste vorkommt. Wir alle, so verschieden wie wir sind, setzen uns einen Weg, eine Anleitung zum Vorbild, zwängen uns in eine Form. Und das, um Ziele zu erreichen, die gar nicht die unseren sind. Was wäre bloß, würden wir uns aus diesen Formen befreien? Wenn wir, statt die vorgelebten Ziele als gegeben zu akzeptieren, unsere eigenen suchen? Wenn wir das Individuelle erkunden, ausbreiten, auffalten – entfalten? Wie eine Decke, die wir sorgsam zusammengelegt haben, damit sie auch ja in die Schublade passt. Breiten wir sie aus, erlauben wir dem weichen Stoff, sich seinen eigenen Weg zu bahnen. So zu fallen und zu liegen, wie es ihm taugt. Wir erlauben ihm, seinen individuellen Sinn zu suchen und zu erfüllen.

Entfaltung ist nicht statisch, sie ist nicht ziel­gerichtet oder grad­linig. Sie lässt sich nicht forcieren, nicht lenken, nicht ein­grenzen. Ent­faltung ist die Öffnung dessen, was einst sauber zusammen­gefaltet wurde, um in eine Form zu passen. Während das Wachs­tum versucht, etwas zu schaffen, was noch nicht da ist, ist die Ent­faltung eine Ent­deckung des in uns Schlummernden, der Talente, Träume und Ziele – der unendlichen Möglich­keiten und Potentiale, die jede und jeder von uns in sich trägt, wenn sie oder er sich traut, diese zu erforschen. Ent­faltung ist die Ent­deckung der wahren Größe. Das Erkunden, der eigenen Richtungen und Ziele. Ent­faltung entsteht aus der Mitte heraus und breitet sich darauf­hin neu­gierig in alle Richtungen aus. Das Ziel: un­bekannt? Und doch erfasst sie so viel mehr als die grad­linige, gehetzte Suche nach einem geister­haften Sinn und Zweck, der uns nicht mehr berührt, nicht mehr mit­nimmt.

Ent­faltung ist nicht nur die Ent­deckung von Neuem, es ist auch die Akzeptanz und Wert­schätzung des Vor­handenen, des Indivi­duellen. Dieser Weg kann zunächst nicht nur positiv sein, wie es das Wachstum für uns zu sein scheint. Er kann auch Dinge zum Vor­schein bringen, die wir nicht erwarten. Dinge, die wir zunächst nicht zu mögen glauben. Ent­faltung ist, sich selbst kennen­zulernen, sich selbst zu erkennen. Es ist nicht nur ein Prozess, es ist eine lebens­lange Reise, eine Ein­stellung, eine Sicht­weise auf sich selbst und die Welt. Diese Reise erfordert Courage und Mut. Denn die Ent­faltung persönlicher Potentiale ist nicht die einfachste Lösung – und doch ist es die Einzige, die uns zu unserem persön­lichen Ziel führt. Zu wirklicher Erfüllung der eigenen Bedürf­nisse, zur Erkenntnis des ganz persönlichen Beitrags, den man für sich und die Gesell­schaft leisten kann.

Wachs­tum ist wichtig. Aber es kann nicht länger die einzige Maxime unseres Schaffens sein. Es muss mehr geben als einen Weg. So ist die Welt, dreht sie sich doch immer schneller, verändert sich immer kontroverser – doch zu breit gefächert, zu bunt, ausgestattet mit zu vielen Umwegen und Nischen und Ecken und Kanten, um nur in eine Richtung zu wachsen. Ent­faltung der inneren Stärke, des inneren Kern­anliegens, geleitet von Neugier und Vertrauen, kann uns mehr Wege aufzeigen, Gesell­schaft gemeinsam zu gestalten.

Ent­faltung ist das neue Wachs­tum?! Mit dieser Frage, diesem Impuls, diesem Kern­anliegen starten wir in ein neues KU Jahr. Mutig gewillt neue Wege zu gehen, nicht grad­linig, sondern intuitiv, kreativ und inklu­dierend. Jeden wunder­schönen Umweg erkundend, jeder Nische eine Chance gebend, sie zu erfüllen. Nach zwei Jahren Pan­demie freuen wir uns ganz besonders auf die persönliche Begegnung mit Mensch, Natur und Gedanken­gut – mit allem, was uns und unsere Umwelt zur Ent­faltung anregt. Und wir freuen uns auf alle, die uns dabei aus unserem Öko­system und darüber hinaus begleiten.

Lange haben wir nach ein­fachen gesell­schaftlichen Lösungen gesucht. Nach geraden Wegen und rationalen Erklärungen, für die Phäno­mene und Gescheh­nisse, die uns begegnen. Das muss nicht falsch sein – aber wir haben gelernt, dass es auch nicht das einzig Richtige sein kann. Wir als Kreatives Unter­nehmer­tum wollen nicht versuchen vorzugeben, welches der richtige oder der falsche Weg sein mag, stattdessen wollen wir durch Impulse zur Ent­faltung anregen. Neugier schaffen, Un­konventionelles zele­brieren. Mut machen, Gesell­schaft gemeinsam gestalten.

Vivian Dünwald
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Vivian Dünwald

KU Magazin & Kommunikation

Getrieben von einer tiefen Neugierde, Beziehungen und Zusammen­hänge zu erkunden studiert Vivian an der Zeppelin Universität Soziologie, Politik und Wirtschaft. Als Nordlicht am Bodensee zieht sie besonders viel Kraft aus Begegnungen mit Menschen und Natur in diesem besonderen Umfeld. Ein verstärktes inhalt­liches Anliegen ist für sie die Beschäftigung mit gesellschafts­politischen Fragen sowie Chancen­gleichheit jeglicher Form. Der Diskurs und die Auseinander­setzung, die Reibung und der Austausch stellen für sie den Weg dar, um gemein­schaftlich Gesell­schaft zu gestalten.

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