Mit unserem Jahresthema sprechen wir über das, was ist und das, was kommen mag. Wir sprechen über den Wandel der Maßstäbe und Maximen, an denen sich unsere Gesellschaft und unser Unternehmertum orientieren. Wie sieht jedoch der Weg von Heute nach Morgen aus? Wie stehen Entfaltung und Wachstum in Beziehung zueinander? Wie ebnen wir die Wege zur Entfaltung? Wie wachsen wir in sie hinein? Was haben wir und was brauchen wir? In zwei Tagen KU Kongress näherten wir uns dem Thema im Denken und Sprechen und Fühlen und Sein. Wir entfalteten Gedanken, die uns dem Morgen näher bringen. Oder ist das vielleicht schon da? Ein Einblick in die Dämmerung eines neuen Morgens.
Es ist ein Donnerstag-Vormittag in Mittelfranken. Versammelt sind kreative Köpfe: Ökonomen, Ökologen, junge Gründer:innen, Lebensmittelpioniere, Familienunternehmer:innen, Klimarevolutionäre, Landwirt:innen, ein Clown, ein Koch. Und so viele mehr. Es folgen zwei Tage KU Kongress. Die Stimmung ist freudig und gespannt. So ist es, wenn man Räume für Entfaltung öffnet: neugierig erwartend, was sich wohl in dieser Offenheit ergeben mag, hält man Ausschau nach den ersten Entfaltungsknospen, die sich langsam, aber sicher öffnen werden. Welche Wege werden die Gedanken wohl wandern? Welche Erkenntnisse, Gefühle, Erfahrungen mögen sich in zwei Tagen vollkommenem Entfaltungsfreiraum für Unternehmertum und aber wohl allen voran für Persönlichkeit ergeben? Was wird geschaffen, was mitgenommen, was aufgedeckt, entdeckt und mit nach Hause genommen, was jetzt noch verborgen erscheint?
Schnell stellen wir fest, dass wir uns gar mühelos dem Thema Entfaltung nähern können. Warum mühelos? Weil das Subjekt die Methode ist. Weil wir über Entfaltung sprechen, denken, diskutieren, träumen, spinnen, während wir genau das tun. Uns entfalten. Das Ich und das Wir. Der Weg ist das Ziel. Klingt doch fast zu einfach.
Sprachen wir die letzten Jahrzehnte von Wachstum und wollen wir nun Entfaltung als die Route unserer Wahl einschlagen, erwarten wir, dass sich die Methodik dabei grundlegend ändern wird. Doch ist nicht Wachstum auch nur eine Art Entfaltung? Eine gradlinigere, gestutzte Variante davon. Aber dennoch: Wachstum ist Entwicklung, genauso wie sich bei der Entfaltung etwas auswickelt, entwickelt. Wachstum ist Entfaltung light. Oder andersherum: Entfaltung ist Wachstum, nur weitergedacht. Ganzheitlicher gedacht.
Wir stehen also gar nicht vor der großen Weggabelung und müssen uns fragen, ob links oder rechts. Richtungsschilder sind veraltet, denn wir wollen ja eben nicht mehr nur noch in eine Richtung. Stattdessen tragen wir wohl alle unsere eigenen Wegkreuzungen in uns, der Kompass ist unsere Intuition, das Ziel die Entdeckung der Potentiale und Möglichkeiten der Persönlichkeit und der Gemeinschaftlichkeit.
Rainer Maria Rilke sagte „Lasst Euch nicht beirren von den Übergängen.“ Er beobachtete den Menschen schon vor rund 100 Jahren so präzise, dass er wusste: Wir fürchten uns vor Veränderungen, lassen uns verwirren vom Andersartigen, halten uns fest, an dem was ist. Nehmen es als gegeben. Nach zwei Tagen KU Kongress stellen wir jedoch fest: Wir müssen uns zum Glück nicht beirren lassen, ist die Veränderung kein Bruch, sondern ein offenes Weiterdenken, dessen, was ist. Vielleicht auch eine Rückkehr zu dem, was sein soll. Ein Blick ins Selbst und eine Verbindung dessen mit dem Gegenüber. Alles, was wir tun müssen, um diesen gar nicht so großen, gar nicht so gruseligen Übergang gestalten zu können, ist die Räume zu öffnen. Wir müssen nicht immer neue Straßen bauen, sondern Brücken zwischen den bestehenden.
Und vielleicht, vielleicht müssen wir auch erstmal nur einen Schritt zurücktreten, um das große Bild zu sehen. Denn auch da, wenn wir einen Schritt zurücktreten, öffnet sich ein neuer Raum. Und das große Bild sagt vielleicht: Es ist schon alles da, was wir brauchen. Wir müssen es nur neu verbinden. Verhältnismäßigkeiten verändern, Positionierungen hinterfragen, Maßstäbe anpassen, an das, was wir eigentlich wirklich messen wollen. Und das, wozu wir das große Bild des Lebens, Wirtschaftens, Schaffens eigentlich malen, wieder in den Mittelpunkt stellen: dem Menschen und der Gesellschaft zum Wohle.
Zwei Tage KU Kongress zeigen uns die Schönheit dieser Entfaltung: Es gibt im Universum keinen luftleeren Raum. Zwischen den Menschen kein Vakuum. Wächst etwas nicht, gibt es Stagnation, Rezession. Bringe ich aber Individuen zusammen und gebe ihnen Platz und Zeit und ein Umfeld für ihre Gedanken, entsteht etwas. Aus sich heraus. Nicht künstlich aufgezogen, nicht heraufbeschworen oder produziert. Und es wirkt weiter, es lebt über die Grenzen des Entfaltungsraumes hinaus. In jeder und jedem Einzelnen, der sich selbst in diesen Prozess hineingewagt hat. In den nun folgenden Tagen und Monaten darf es sich seinen Weg suchen, begleiten, zuhören, lernen, wachsen, sich entfalten. Ein Raum wurde eröffnet, ein kleiner Keim hat sich entwickelt und nimmt man ihn mit nach Hause, gibt im etwas Sonne, etwas Licht, wird er erblühen.
Getrieben von einer tiefen Neugierde, Beziehungen und Zusammenhänge zu erkunden studiert Vivian an der Zeppelin Universität Soziologie, Politik und Wirtschaft. Als Nordlicht am Bodensee zieht sie besonders viel Kraft aus Begegnungen mit Menschen und Natur in diesem besonderen Umfeld. Ein verstärktes inhaltliches Anliegen ist für sie die Beschäftigung mit gesellschaftspolitischen Fragen sowie Chancengleichheit jeglicher Form. Der Diskurs und die Auseinandersetzung, die Reibung und der Austausch stellen für sie den Weg dar, um gemeinschaftlich Gesellschaft zu gestalten.
Jeden Monat stellt Kreatives Unternehmertum dem Ökosystem eine gesellschaftsgestalterische Frage und kuratiert dazu passende Einblicke in die Wirksamkeit des Gesellschaftsgestaltertums. Noch weitere Antworten auf unsere Frage des Monats im Oktober 2022? Dann hier unseren Rückblick auf den VII. KU Kongress 2022 und Neues von unseren diesjährigen Macher:innen-Teams.