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Lesedauer: 8 min 27.09.2023

Der wahre Aufbruch beginnt im Inneren.

Eine (persönliche) Wortmeldung zum VIII. KU Kongress

Wie ein Stein, den man ins Wasser wirft, schlägt auch der VIII. KU Kongress seine Kreise: Diese kleinen oder größeren Wellen beginnen beim Selbst und breiten sich langsam nach Außen aus. In drei Wortmeldungen möchte Kreatives Unternehmertum diese gesellschaftsgestalterischen Wellen einfangen. Beginnend bei der persönlichen Ebene, über die gemeinschaftliche, bishin zur unternehmerischen. Also fragen wir uns: Was nehmen wir mit von zwei Tagen KU Kongress und zu unseren persönlichen, gemeinschaftlichen und unternehmerischen Aufbrüchen?

Der wahre Aufbruch beginnt im Inneren. Ein Satz, der vielen vor dem VIII. KU Kongress nicht als erstes in den Sinn gekommen wäre, hätte man sie nach Aufbruch gefragt. Und doch ist es wohl eine der Kernbotschaften dieser zwei Tage KU Kongress 2023 auf den Neuen Höfen. Wir haben uns gefragt, ob und wenn ja, wie wir aus den uns allumgebenden Umbrüchen die Kraft und Orientierung ziehen können, Aufbrüche zu gestalten. Aufbrüche zu einer neuen Art zu leben und zu wirtschaften, die unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Welt und Gesellschaft hinterlässt. Und haben wir dieses Ziel unternehmerisch und persönlich zwei Tage diskutiert, ist das, was sich aus Impulsen und Gesprächen, aus Begegnung und innerem Dialog ergeben hat, eine andere Antwort als wir zunächst vielleicht vermutet hätten.

Den großen, sichtbaren Aufbrüchen, die, die wir gestalten wollen und müssen, schreitet etwas voran, das unscheinbarer passiert, so muss es in uns selbst stattfinden: in den Köpfen und Herzen und Händen, im Gespräch mit sich, mal liebevoll, mal kritisch hinterfragend.

„Alles ist Üben im Menschsein.“ sagte die Philosophin Ariadne von Schirach in ihrem Impuls zu einem neuen Sinn in lebensfähigem Unternehmertum. Unser Alltag, unsere Gesellschaft, unsere ganze Sozialisation beruht auf Routinen – auf dem, was wir tagtäglich üben, was wir beigebracht bekommen haben. Doch woher kommen diese Routinen? Diese Glaubenssätze, Ansprüche, Perspektiven und Handlungsmuster? Wir bekommen sie mitgegeben, von unseren Eltern und Lehrer:innen, von älteren Generationen, die uns teilweise bewusst, aber zumeist unterbewusst das vorleben, was auch sie schon von ihren Eltern vorgelebt bekommen haben. Wissen und Lebenserfahrung werden dabei grundsätzlich der Intuition vorgezogen - wir geben uns große Mühe, das innere Kind so schnell wie möglich "erwachsen" werden zu lassen und nehmen ihm damit so viel weg.

Dabei schaffen wir also diese ganzen Muster, die wir dann später als Normalität ansehen. Diese Sozialisierung ist wichtig, wir brauchen gemeinschaftliche Normen, an die wir uns als Gesellschaft halten können. Doch im Anblick der um uns herum geschehenen Krisen und Umbrüche und in der sich daraus ergebenden tiefen Notwendigkeit für Veränderung, stellt sich die Frage, ob wir den Aufbruch zu einem neuen Zeitalter nicht auch als Aufruf verstehen dürfen, einige von diesen Mustern und Glaubenssätzen, ebenfalls diesem Aufbruch zu unterstellen? Die Welt ist ein Ergebnis unserer Routinen, unserer geübten Handlungen - ist es nicht dann vielleicht an der Zeit, diese Routinen zu verändern?

Der Aufbruch ins Innere kann eine Re-Moralisierung bedeuten, eine Auseinandersetzung mit dem Selbst oder mit anderen, mit dem großen Sinn und der Frage, wie wir unsere Zeit eigentlich wirklich verwenden wollen. Er kann das Finden von Antworten beinhalten, beginnt aber vor allem mit dem Stellen von Fragen. Und so geht der Aufbruch vielleicht auch mit einem wortwörtlichen „auf-brechen“ einher: Mit dem Aufbrechen alter Denkweisen, dem Aufbrechen der Beziehungen, die wir zu Sachen und Menschen und unserer Umwelt pflegen.

Alles, was wir wissen und können, alles, was wir als positiv anerkennen oder als negativ verurteilen, all das haben wir erlernt. Aber suchen wir nach dem wahren Aufbruch, müssen wir vielleicht auch diese Ansprüche aufbrechen, um zu erkennen, welche wirklichen Potentiale in uns ruhen. Wir müssen erlernen bestimmte Dinge zu verlernen, jene, die uns daran hindern, das Menschliche in uns und dem Gegenüber zu erkennen und in der Welt, die wir kreieren.

Und wenn alles am Menschsein Übung ist, dann können wir wohl auch üben, einander mehr zuzuhören, liebevoller mit den Menschen und der Natur umzugehen. Wir können üben, das innere Kind mehr zu Wort kommen zu lassen und seine unendlichen Potentiale wertzuschätzen. Wir können üben, uns mehr sein zu lassen, wie wir wirklich sind und sein wollen und das als Ressource zu erkennen, anstatt als etwas, das wir formen müssen, um irgendwo hereinzupassen. Und wenn wir das alles üben wollen und werden, wird der äußere Aufbruch wohl ganz von selbst kommen. Das von uns beschriebene, herbeigesehnte neue Zeitalter von Unternehmertum bedeutet nicht immer Radikalität und Umsturz der Strukturen. Es bedeutet die Arbeit im Inneren, um daraus die Kraft und Menschlichkeit für die Arbeit im Außen zu ziehen. Es bedeutet Arbeit und Menschsein auf eine Ebene zu bringen – sie in Resonanz miteinander zu bringen. Und klingt das so simpel, ist dies schon Aufbruch genug, denn kommt er von innen, bringt er wirklich Wirksamkeit.

Vivian Dünwald
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Vivian Dünwald

KU Magazin & Kommunikation

Getrieben von einer tiefen Neugierde, Beziehungen und Zusammen­hänge zu erkunden studiert Vivian an der Zeppelin Universität Soziologie, Politik und Wirtschaft. Als Nordlicht am Bodensee zieht sie besonders viel Kraft aus Begegnungen mit Menschen und Natur in diesem besonderen Umfeld. Ein verstärktes inhalt­liches Anliegen ist für sie die Beschäftigung mit gesellschafts­politischen Fragen sowie Chancen­gleichheit jeglicher Form. Der Diskurs und die Auseinander­setzung, die Reibung und der Austausch stellen für sie den Weg dar, um gemein­schaftlich Gesell­schaft zu gestalten.

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