Die Impulsgebenden Benedikt Bösel, Christian Felber, Wilhelm Schmid, Gyde Willemsen und Julius Palm haben uns auf unsere Frage des Monats im August geantwortet und geben damit einen inhaltlichen Vorgeschmack auf ihre Beiträge zu unserem VII. KU Kongress im September 2022.
Christian Felber: „Zukunfsfähige Unternehmen fördern Gemeinschaftlichkeit durch das Ermöglichen von gelingenden Beziehungen auf allen Ebenen: Beziehung zu einer/m selbst, soziale Beziehungen, ökologische Beziehungen und die Verbindung zum großen Ganzen. In diesem Sinne unterstützen sie Gemeinschaftsbildung vom Arbeitsteam bis zur Menschheitsfamilie, auf der Basis von Grundwerten wie Respekt, Kooperation, Solidarität, Mitverantwortung und Fürsorge.“
Benedikt Bösel: „Gemeinschaftlichkeit beruht auf Verständnis und der Einsicht, dass die eigene Handlung einen Einfluss auf Andere hat. Zukünftiges Unternehmertum wird durch dieses Verständnis erfolgreich sein.“
Wilhelm Schmid: „Zur Rolle der Gemeinschaftlichkeit, wie Sie das nennen, ein etwas holperiges Wort: Sie setzt enorme Energien frei und bringt viel Erfüllung mit sich. Sollte sich das nicht mit einer aktuellen Tätigkeit vereinbaren lassen, käme es darauf an, nach einer anderen zu suchen. Der Austausch mit Anderen ist entscheidend für Impulse und Ideen, die erst im Austausch entstehen, und je unterschiedlicher die Beteiligten, umso besser, oder kürzer gesagt: Diversität befördert Kreativität.“
Und auch für die Realisierung von Ideen gilt: Hoffentlich springen Andere Dir bei. Denn das ist eine oft übersehene Erfolgsformel: Niemand geht den Weg zum Erfolg alleine. Alle sind angewiesen auf Andere, die ihnen wohlwollen. Zwar neigen erfolgreiche Menschen dazu, alles sich allein zuzurechnen. Aber spätestens beim Älterwerden erinnern sie sich im Rückblick an diejenigen, die ihnen in wichtigen Momenten weiterhalfen.“
Julius Palm & Gyde Wollesen: „Die zentralsten gesellschaftlichen Handlungs- und Impactfelder sind Unternehmen. Unternehmen werden von Menschen gemacht. Die großen Probleme des 21. Jahrhunderts sind von uns Menschen gemacht. Unsere Zukunft auf diesem Planeten hängt von uns Menschen ab. Ohne eine gesunde Gemeinschaftlichkeit werden Unternehmen keine zukunftsfähige Antwort auf diese Probleme liefern. Wir Menschen und damit jegliche kollektive Organisation stehen im Fokus gesellschaftlicher Transformation und Zukunftsfähigkeit.“
Christian Felber ist ein international gefragter Referent zu Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politikalternativen, vielfacher Buchautor und freier Tänzer. Der 1972 geborene Salzburger studierte Spanisch, Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft in Madrid und Wien, wo er heute lebt. Er publiziert regelmäßig Kommentare in deutschsprachigen und internationalen Medien. Inzwischen hat er 17 Bücher (in insgesamt 11 unterschiedlichen Sprachen) veröffentlicht: „50 Vorschläge für eine gerechtere Welt. Gegen Konzernmacht und Kapitalismus“; „Neue Werte für die Wirtschaft. Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus“; "Kooperation statt Konkurrenz. 10 Schritte aus der Krise"; „Gemeinwohl-Ökonomie“ (internationale Gesamtauflage 80.000 Stück), „Ethischer Welthandel“ und „This is not economy – Aufruf zur Revolution der Wirtschaftswissenschaft“. Der Titel „Geld. Die neuen Spielregeln“ wurde als Wirtschaftsbuch des Jahres 2014 ausgezeichnet, die „Gemeinwohl-Ökonomie“ schaffte es 2021 auf die SPIEGEL-Bestsellerliste. Von 2008 bis 2017 Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien, seit 2019 ist er Affiliate Scholar am IASS Potsdam. Er initiierte den Aufbau der „Gemeinwohl-Ökonomie“ und der „Genossenschaft für Gemeinwohl“.
Benedikt Bösel ist Agrarökonom und Geschäftsführer von Gut&Bösel, einem 3000ha großen Landwirtschafts- und Forstbetrieb eine Stunde östlich von Berlin. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt er verschiedene Methoden der regenerativen Landwirtschaft. Das Ziel: Gesunde und widerstandsfähige Ökosysteme aufbauen und verstehen, wie großflächige Landwirtschaft in Zukunft transformiert werden kann. Zu diesen Methoden gehören ganzheitliches Weidemanagement, Kompostierung, syntropischer Agroforst und Waldumbau, sowie die Entwicklung neuer Software und Technik.
Benedikt ist überzeugt: Multifunktionale Landnutzung ist der Schlüssel, um viele der drängendsten Probleme unserer Zeit zu lösen – vom Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt bis hin zu Hunger und Chancengleichheit.
Um die landwirtschaftliche Arbeit wissenschaftlich begleiten zu können und die Effekte von multifunktionaler Landwirtschaft einschätzen und analysieren zu können, hat Benedikt 2021 die Finck Stiftung gegründet. Diese kooperiert mit verschiedenen hochrangigen Universitäten und Forschungsinstituten.
Er engagiert sich ehrenamtlich bei einer Vielzahl von Initiativen und Vereinen zur Zukunft der Ernährung, Landwirtschaft und des Ländlichen Raums.
Benedikt Bösel wurde mit seinem innovativen Wirken zum Landwirt des Jahres 2022 ernannt.
Wilhelm Schmid, geboren 1953 in Bayerisch-Schwaben, lebt als freier Philosoph in Berlin. Umfangreiche Vortragstätigkeit im In- und Ausland. 2012 wurde ihm der deutsche Meckatzer-Philosophiepreis für besondere Verdienste bei der Vermittlung von Philosophie verliehen, 2013 der schweizerische Egnér-Preis für sein bisheriges Werk zur Lebenskunst.
Er studierte Philosophie und Geschichte in Berlin, Paris und Tübingen. Viele Jahre lehrte er Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt. Zusätzlich war er tätig als Gastdozent in Riga/Lettland und Tiflis/Georgien, sowie als philosophischer Seelsorger am Spital Affoltern am Albis in der Nähe von Zürich/Schweiz.
2004 veröffentlichte er das Taschenbuch „Mit sich selbst befreundet sein. Von der Lebenskunst im Umgang mit sich selbst“, gefolgt von „Selbstfreundschaft. Wie das Leben leichter wird“ in 2018 sowie seiner neusten Buchveröffentlichung „Heimat finden. Vom Leben in einer ungewissen Welt“ aus 2021.
Gyde studierte Betriebswirtschaft und Nachhaltigkeitswissenschaften mit der Überzeugung, dass Unternehmertum und Nachhaltigkeit kein Widerspruch bedeuten. Um Transformation transparent und fair voranzutreiben, braucht es eine verursachergerechte Kostenverteilung in der Wirtschaft. Um dies zu ermöglichen, ist es zentral zu wissen, wo welcher positiver als auch negativer Impact entsteht.
Dies war auch der Fokus ihrer Arbeit vor der Position bei followfood. Sie beriet zwei Jahre Lebensmittelunternehmen, hauptsächlich aus der Bio-Branche, in der Berechnung der wahren Kosten durch die Internalisierung von Umweltschäden und -nutzen.
Seit Oktober 2021 leitet sie nun bei followfood die Impact Development Abteilung. Die Mission ist zu beweisen, dass Lebensmittel einen positiven Beitrag zu einer gemeinwohlorientierten Gesellschaft innerhalb der planetaren Grenzen leisten können und das Produktportfolio und die Lieferketten stetig danach zu optimieren.
Julius N. Palm ist Strategie und Marke sowie Stellv. Geschäftsführer bei der nachhaltigen Foodmarke followfood. Mit der Marke followfish als studentisches Startup gestartet, zählt followfood heute zu den zentralen Vorreiter:innen in der Frage nach einer zukunftsfähigen Lebensmittelversorgung und der Rolle unternehmerischen Handelns.
Der Antrieb von Julius Palm war schon immer die Frage nach dem guten Leben. Zuerst theoretisch mit einem Studium der Kulturwissenschaften. Ob Nachhaltigkeitstheorien, Umweltsoziologie, gesellschaftliche Naturverhältnisse oder die Soziologie des guten Lebens – es drehte sich für Ihn alles um die Frage der Zukunftsfähigkeit und Vereinbarkeit von Gesellschaft und dessen, was wir „Natur“ nennen. Eine vermeintlich selbstverständliche Erkenntnis änderte für Ihn Alles: Gesellschaften und damit Unternehmen sind Teil der Ökosysteme und damit des Planeten. Dass die Lebensmittelproduktion der größte Hebel in dieser Beziehung ist, bestimmt seinen weiteren Weg: was hat das, was auf unseren Tellern landet, mit der Zukunftsfähigkeit des Menschen auf diesem Planeten zu tun? Warum reicht Nachhaltigkeit nicht mehr aus? Wie können regenerative Geschäftsmodelle aussehen?
Diese Frage versucht Julius heute mit followfood zu beantworten. Für Ihn die perfekte Verknüpfung von Theorie und Praxis: Das Visionieren eines guten Lebens und Aufzeigen von Möglichkeiten auf der einen Seite und die Implementierung und Transformation in die Gesellschaft auf der anderen Seite. Denn das ist seiner Meinung nach das wünschenswerte Selbstverständnis von Unternehmen und das notwendige Ziel von Unternehmertum – followfood als gesellschaftlicher Akteur und politische Stimme, als Teil dieses Planeten mit Verantwortung für mehr als nur den eigenen Geldbeutel. Mit dem Begriff „Regenerative Business“ gehört followfood hier zu einer neuen Bewegung der nachhaltigen Entwicklung – beyond Sustainability sozusagen.