Vielerorts findet in diesen frühsommerlichen Wochen einiges in eine neue Bewegung. Türen, die bedingt durch die Pandemie gut ein Jahr lang verschlossen waren, öffnen sich wieder. Gegenüber welchem Neuen öffnen wir uns dadurch selbst? Welche Perspektiven ergreifen wir? Und welches Bewusstsein brauchen wir zum Entdecken neuer Horizonte? Ein Gedankenspiel.
In den letzten Monaten lag das Zentrum unserer Welt in unserem Zuhause. Nun verschiebt sich unsere Raumwahrnehmung wieder. Sie wird mobiler. Wir bewegen uns in Restaurants, in’s Museum, Theater und reisen an andere Orte. Menschen begegnen sich. Perspektiven begegnen sich. Die uns umgebenden Landschaften werden belebter. Wir beleben und erleben Neues in und um uns selbst. So auch unsere Perspektive. An was werden wir dabei erinnert? Und wie sehen und ergreifen wir die neu entstehenden Möglichkeiten?
Lässt man sich von Marcel Prousts Gedanken, „die eigentlichen Entdeckungsreisen bestehen nicht im Kennenlernen neuer Landstriche, sondern darin, etwas mit anderen Augen zu sehen“, inspirieren, könnte man erahnen, dass es das Einnehmen anderer Perspektiven ist, das uns Weitblick schenkt. Einen Ausblick, von dem aus man gut Durchblick findet und Einblicke geben kann. Ebendies entsteht durch Begegnungen, in denen wir uns wirklich auf unser Gegenüber einlassen. Und damit auch auf das Überraschende.
Begrifflich ist die Perspektive verwurzelt im lateinischen ‚perspicere‘ – dem Hindurchsehen, Wahrnehmen, Erkennen. Das setzt ein Gegenüber voraus. Einen Menschen, Raum oder auch ein Objekt. So beschreiben wir mit der Perspektive unter anderem räumliche Beziehungen von Objekten und meinen, wenn wir heute von ihr sprechen, meist eine Aussicht für die sich entwickelnde Zukunft. Die Perspektive blickt nach vorne und kann es uns so erleichtern, Energie zu entfalten. Versteht man sie als etwas, das man in einer jeden Begegnung erweitern kann, erscheint sie wie ein Weitblick über Landschaften hinweg, wie wir ihn beispielsweise von einem Berggipfel kennen. Wir sehen Möglichkeiten.
Dabei orientieren sich unsere Perspektiven entlang unserer Welterfahrung und diese an unseren Landkarten. Mit der Erfindung des Kompass‘ richteten sich unsere Karten nach dem Norden, nach ‚oben‘. Seitdem steht Wichtiges für uns ‚an oberster Stelle‘ und wir können ‚tief danebengreifen‘, wenn uns etwas misslingt. Ist man einmal ‚unten‘, wie es in einer Krise der Fall sein kann, wirkt der Blick nach ‚oben‘ vielleicht sogar einschüchternd. Was hilft, wäre ein offener Blick auf neue Perspektiven. Und diesen begegnen wir, wenn wir ihnen auch Raum geben. Beispielsweise durch bewusste Begegnungen, ehrliches Zuhören, den Mut, bisher sicher Geglaubtes in Frage zu stellen oder die Muße zur Weiterentwicklung, die Offenheit gegenüber dem Neuen. So entsteht Bewegung und wir finden vom Philosophieren auch in’s Tun – in’s Wirken. Denn um die Wirkung geht es schließlich.
Was all‘ dies verbindet, ist die Bewegung. Sichtbar wird diese weniger auf Landkarten, als im Blick auf Landschaften. Auf Wasserwogen, im Wind wehende Gräser oder auch Menschen in der Stadt. So sagte Claude Monet einst: „Für mich existiert eine Landschaft niemals an und für sich, denn ihre Erscheinung verändert sich mit jedem Augenblick. Aber sie wird lebendig durch ihre Umgebung, die Luft und das Licht, die sich ständig verändern.“ Auch wenn wir unseren Blick lange auf ein und dieselbe Stelle richten, können wir Unterschiedliches wahrnehmen. Eine Landschaft voll' Überraschungen.
Die Vielfalt der Perspektiven ist da. Sie liegt in der Natur des Menschen. Wenn wir uns darauf einlassen, ihr zu begegnen und sie zu erforschen, können wir auch unserer komplexer werdenden Welt anders begegnen – in der symbiotischen Verbindung unserer Perspektiven. So ist es auch für unser Wirken mit KU im Sinne eines neuen Unternehmertums, des Gesellschaftsgestaltertums, wesentlich, verschiedene Sichtweisen und Blickwinkel miteinander in Beziehung zu setzen. In diesen Begegnungen erschaffen wir resonanzvolle Verbindungen zwischen Menschen, Ideen und Potentialen. Genießen wir den spontanen Austausch, die zufälligen Begegnungen und das, was sich in deren Zusammenspiel vielleicht ganz anders als erwartet ergibt. Dort entsteht das Neue. Lassen wir uns überraschen.